Die trügerische Klarheit der Zahlen
Stell dir vor: Du schaust ein Dartsmatch und siehst, dass Spieler A einen Average von 95 hat, während Spieler B nur auf 88 kommt. Klar, Spieler A gewinnt, oder? Falsch. Spieler B gewinnt 6:4 und der Kommentator sagt: Das war die bessere Checkout Quote, die den Unterschied gemacht hat.
Willkommen in der faszinierenden Welt der Dartstatistiken, wo die offensichtlichste Zahl oft nicht die wichtigste ist. Während Millionen Zuschauer auf die großen Zahlen starren, entscheiden sich Matches in Bereichen, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Ein einziger verpasster Checkout kann einen Average von 110 zunichtemachen. Eine 180 zur falschen Zeit kann dich auf eine Bogey Number bringen, die nicht zu checken ist.
Die Kunst des Dartsports liegt nicht nur darin, gut zu spielen, sondern die richtigen Statistiken zu interpretieren. Und genau das werden wir jetzt tun.
Der Average: Mehr als nur eine Zahl
Der Average, oder präziser der 3 Dart Average, ist die bekannteste Statistik im Dartsport. Die Berechnung ist einfach: Du nimmst die geworfenen Punkte, teilst sie durch die Anzahl der geworfenen Darts und multiplizierst mit drei. Die Formel lautet: Gesamtpunkte geteilt durch geworfene Darts mal drei gleich dein Average.
Ein Beispiel: Du gewinnst ein Leg mit 18 Darts. Dein Average beträgt 501 geteilt durch 18 mal drei gleich 83,5. Klingt simpel, aber hier beginnen die Tücken.
Die versteckte Wahrheit beim Average
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Spieler mit einem niedrigeren Average einen Spieler mit einem deutlich höheren Average schlägt. Warum? Weil jeder geworfene Dart in die Berechnung einfließt, auch die für den Checkout.
Stell dir vor: Du stehst bei 40 Punkten Rest und hast bis dahin einen Average von 65,8 geworfen. Wenn du mit dem ersten Pfeil die Doppel 20 triffst, steigt dein Average auf 68,3. Checkst du aber erst mit dem dritten Dart, fällt er auf 62,6. Dabei hast du das Leg trotzdem gewonnen.
Der Average ist also ein Indikator für Scoring Power, aber kein absoluter Maßstab für Spielstärke. Ein Spieler mit schwachen Doppeln kann einen fantastischen Average haben und trotzdem verlieren, weil er nicht abschließen kann. Ein Spieler mit solidem Scoring und eiskalter Checkout Quote schlägt den Scorer mit Doppelproblemen fast immer.
Der First Nine Darts Average: Die reine Scoring Kraft
Hier wird es spannend: Bei einigen TV Events wird der First Nine Darts Average separat ausgewiesen. Diese Statistik zeigt die reine Scoring Power eines Spielers, bevor er überhaupt ans Checken denkt.
Michael van Gerwen hält seit 2012 den Weltrekord mit einem First Nine Darts Average von 142,83. Nach neun Darts stand er in sechs gespielten Legs auf unglaublichen Restwerten: 142, 16, 16, 47, 130 und 84. Das bedeutet, er hatte teilweise nur 16 Punkte Rest nach drei Würfen. Perfektion pur.
Der First Nine Average zeigt dir, wie gut ein Spieler wirklich scoren kann, ohne dass Checkout-Versuche die Zahl verwässern. Wenn du einen First Nine Average von 43 bis 50 hast, scorest du besser als ein zufälliger Werfer und kannst bei deiner Strategie auf die Triple 20 zu zielen bleiben.
Interessanterweise liegt der durchschnittliche First Nine Average bei Hobbys pielern deutlich höher als der Gesamt Average. Jemand mit einem Leg Average von 31 bis 34 kann durchaus einen First Nine Average von 43 bis 50 haben. Die Doppel sind also der große Gleichmacher im Dartsport.
Die Checkout Quote: Der wahre Champion Maker
Während heavy Scoring die Bühne bereitet, kommt es beim Darts letztendlich auf den finalen Wurf an. Ein Spieler mag die Scoring Phase eines Legs dominieren, aber verpasste Doppel erlauben dem Gegner zurück ins Spiel zu kommen und verschwenden frühere Bemühungen.
Wie Checkout Prozentsätze Champions definieren
Die Checkout Quote wird berechnet als Anzahl erfolgreicher Checkouts geteilt durch Anzahl der Checkout Chancen mal 100. Eine Quote von 40 Prozent bedeutet: Von zehn Gelegenheiten zum Finish checkt der Spieler vier mal erfolgreich aus.
Bei der WM 2022/23 lieferte Michael van Gerwen im Halbfinale gegen Dimitri Van den Bergh eine klinische 6:0 Performance mit einem Average von 108,28 und einer nahezu makellosen Checkout Quote. Van den Berghs höherer Average allein hätte ihm die Kontrolle über das Match erlaubt, aber van Gerwens präzise Doppel machten den Unterschied.
Gary Andersons Halbfinalsieg gegen Dave Chisnall 2020/21 ist ein weiteres Beispiel. Anderson, bekannt für sein Heavy Scoring, sieht sich oft Kritik wegen seiner Finishing Fähigkeiten ausgesetzt. In diesem Match gab ihm jedoch seine Fähigkeit, Doppel unter Druck zu treffen, den Vorteil bei einem 6:3 Sieg. Chisnalls Scoring Power hatte ihn ins Halbfinale getragen, aber Andersons stetiges Finishing machte den Unterschied.
Wo die wahre Dramatik liegt
Die dramatischsten Momente im Darts kommen nicht von einer 180, sie kommen, wenn alles auf dem Spiel steht und ein Dart über Sieg oder Niederlage entscheidet. Eine hohe Checkout Quote reflektiert nicht nur technisches Können, sondern auch mentale Stärke, besonders in Hochdruck Matches, wo jeder Dart das Momentum verschieben kann.
Darts ist oft ein Spiel von Millimetern. Der Unterschied zwischen einem Dart knapp außerhalb und einem im Doppel ist der Unterschied zwischen Ruhm und Verzweiflung. Meister sind definiert nicht nur durch ihre Scoring Power, sondern durch ihre Fähigkeit, die Nerven zu bewahren und zu liefern, wenn es am meisten zählt.
Die 180er: Spektakel oder Substanz?
Die 180 ist die Ikone des Dartsports. Das rauchige, langgezogene Ooooone huuuundred and eiiiightyyyy ist zu einem der bekanntesten Rufe im Sport geworden. Aber was sagt die Anzahl der 180er wirklich über einen Spieler aus?
Die Statistik hinter dem Spektakel
Bei der WM 2024 wurden insgesamt 914 180er geworfen. Michael Smith stellte bei der WM 2022 mit 83 180ern einen neuen Bestwert auf. Im Finale der WM 2023 warfen Smith und van Gerwen zusammen 37 mal die perfekte Aufnahme.
Doch hier kommt die Überraschung: Die Anzahl der 180er korreliert nicht zwingend mit dem Sieg. Ein Spieler kann zehn 180er werfen und trotzdem verlieren, wenn er nicht auschecken kann. Die 180 zeigt dir, dass jemand gut scoren kann, aber sie garantiert keinen Erfolg.
100+ Checkouts: Die wertvolle Alternative
Viel aussagekräftiger sind die 100+ Checkout Statistiken. Bei der Premier League 2024 hatte Michael Smith 21 100+ Checkouts, was 14,18 Prozent seiner gewonnenen Legs mit einem High Finish bedeutete. Luke Littler hatte 20, aber nur in 10,92 Prozent seiner gewonnenen Legs.
Die Fähigkeit, hohe Checkouts zu treffen, zeigt nicht nur Mut, sondern auch strategisches Denken. Ein 120er Checkout bei 120 Rest ist wertvoller als drei 180er mit anschließendem Fehlversuch auf die Doppel.
Bogey Numbers: Die unsichtbare Gefahr
Hier wird Statistikverständnis zur Überlebensfähigkeit. Bogey Numbers sind Restwerte kleiner als 170, die nicht mit drei Darts ausgecheckt werden können: 169, 168, 166, 165, 163, 162 und 159.
Ein Profi mit 303 Punkten Rest würde mit einer 140 (dreimal Triple 20, einfach 20) auf 163 Punkte landen, eine Zahl die nicht gecheckt werden kann. Wirft er aber 133 (zweimal Triple 19, einfach 19), hat er zwar mit 170 Punkten mehr Rest, kann diese aber auschecken.
Das Vermeiden von Bogey Numbers ist eine Kunst, die sich in keiner Hauptstatistik zeigt, aber über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Wenn du siehst, dass ein Spieler konsequent Bogey Numbers vermeidet, weißt du: Der denkt mit.
Was die Zahlen dir wirklich sagen
Ein Average von 40: Der Anfänger
Mit einem Average von etwa 40 einschließlich Checkout brauchst du etwa 37 Darts und dreizehn Würfe zum Auschecken. Das ist anständig für einen Anfänger. Du bist kein Random Darter mehr, der einfach irgendwohin wirft.
Ein Average von 50: Der Liga Spieler
Ein Average von 50 bedeutet, du checkst in etwa 30 Darts aus. Jeder Spieler, der konstant 50 oder höher wirft, wird regelmäßig Spiele in der lokalen Liga gewinnen. Du bist jetzt ein ernstzunehmender Gegner.
Ein Average von 80: Die Q School Schwelle
Wenn du die begehrte Tour Card bei der PDC Q School erwerben möchtest, macht es ab einem Average von 80 pro drei Darts Sinn, dein Glück zu versuchen. Die Checkout Rate liegt bei erfolgreichen Kandidaten fast immer über 20 Prozent.
Ein Average von 85: Der Profi Anwärter
Für eine ernsthafte Chance auf die Tour Card brauchst du einen Average von etwa 85. Liegt er näher bei 80, wird es schwierig, aber nicht unmöglich.
Ein Average von 90+: Die Elite
Bei den WM Finalsiegern liegt der Durchschnitt bei 99,52 Punkten in der PDC seit 1994. Die Verlierer der Finale warfen 94,54 Punkte. Der Unterschied von fünf Prozent trennt Champions von Runner ups.
Wie du Statistiken für dein Spiel nutzt
1. Tracke deinen First Nine Average
Konzentriere dich beim Training auf deinen First Nine Average. Wenn dieser deutlich höher liegt als dein Gesamt Average, weißt du: Deine Doppel sind das Problem. Zeit für gezieltes Checkout Training.
2. Berechne deine echte Checkout Quote
Zähle nicht nur erfolgreiche Checkouts, sondern auch die Chancen, die du hattest. Eine Checkout Quote von 30 Prozent ist gut, 40 Prozent ist sehr gut, über 45 Prozent ist Profi Niveau.
3. Analysiere deine 180er Effizienz
Zähle nicht nur deine 180er, sondern setze sie ins Verhältnis zu deinen geworfenen Aufnahmen. Ein Spieler mit zehn 180ern in 100 Aufnahmen (10 Prozent) ist effizienter als einer mit 15 180ern in 200 Aufnahmen (7,5 Prozent).
4. Dokumentiere deine Bogey Number Vermeidung
Führe Statistik darüber, wie oft du auf Bogey Numbers landest. Wenn das häufig passiert, fehlt dir strategisches Denken beim Scoring.
5. Vergleiche unter gleichen Bedingungen
Dein Average beim Training ohne Druck ist nicht vergleichbar mit dem im Wettkampf. Tracke beide getrennt und arbeite daran, die Lücke zu schließen.
Die Statistik, die nicht gemessen wird
Am Ende gibt es eine Statistik, die auf keinem Bildschirm erscheint, aber vielleicht die wichtigste ist: Mentale Stärke. Die Fähigkeit, einen 170er Checkout zu werfen, wenn du 1:4 hinten liegst. Die Kaltblütigkeit, nach drei verpassten Match Darts nicht zu kollabieren. Das Vertrauen, nach einer 0:3 Niederlage im nächsten Leg wieder 180 zu werfen.
Diese unsichtbare Statistik trennt gute Spieler von Großen. Phil Taylor hatte nicht immer den höchsten Average, aber seine Fähigkeit, in entscheidenden Momenten zu liefern, machte ihn zur Legende. Luke Littler gewann die Premier League 2024 als Neuling nicht nur wegen seines Averages, sondern weil er im Finale einen 9 Darter warf, als es darauf ankam.
Das große Bild sehen
Dartstatistiken sind wie Puzzleteile. Jede einzelne Zahl erzählt einen Teil der Geschichte, aber erst zusammen ergeben sie das vollständige Bild.
Ein hoher Average ohne gute Checkout Quote ist wie ein schnelles Auto ohne Bremsen. Viele 180er ohne strategisches Denken sind wie Feuerwerk ohne Finale. Eine gute Checkout Quote ohne solides Scoring ist wie ein Sprinter, der nie zum Start kommt.
Die besten Spieler der Welt verstehen das. Sie optimieren nicht eine Statistik, sondern das Zusammenspiel aller. Sie wissen, wann sie auf die Triple 19 statt der Triple 20 gehen müssen. Sie erkennen, wann ein sicherer Score wichtiger ist als das Risiko einer 180. Sie spüren, wann der Moment für einen Big Finish gekommen ist.
Dein Weg zur statistischen Meisterschaft
Das nächste Mal, wenn du ein Dartsmatch schaust oder selbst am Oche stehst, schau hinter die Zahlen. Frage dich: Warum hat dieser Spieler trotz niedrigerem Average gewonnen? Wie schafft es jener, konstant über 40 Prozent Checkout Quote zu halten? Was macht die Großen in Drucksituationen anders?
Statistiken lügen nicht, aber sie erzählen auch nicht die ganze Wahrheit. Sie sind Werkzeuge, keine Orakel. Die Kunst liegt darin, sie richtig zu interpretieren und für die eigene Entwicklung zu nutzen.
Und vergiss nie: Der wichtigste Wurf ist immer der nächste. Egal was die Statistik sagt, egal was bisher passiert ist.