Wie man seine ideale Wurfhöhe findet: Kleine biomechanische Analyse für verschiedene Körpergrößen

Wie man seine ideale Wurfhöhe findet: Kleine biomechanische Analyse für verschiedene Körpergrößen

Das Problem der kopierten Höhe

Du siehst einen Profi im Fernsehen. Sein Ellbogen ist auf einer bestimmten Höhe. Du versuchst, das zu kopieren. Und es funktioniert nicht. Warum? Weil dieser Profi möglicherweise 20 Zentimeter größer oder kleiner ist als du. Seine optimale Ellbogenhöhe ist nicht deine optimale Ellbogenhöhe.

Die Wurfhöhe beim Darts ist keine universelle Konstante. Sie ist eine Funktion deiner individuellen Körpergeometrie. Deine Größe, deine Armlänge, deine Oberkörperlänge, all das bestimmt, wo dein Ellbogen idealerweise sein sollte. Die Kunst liegt darin, diese individuelle Höhe zu finden.

Die Physik des Dartflugs

Um zu verstehen, warum Körpergröße so wichtig ist, müssen wir die Physik betrachten. Ein Dart bewegt sich entlang einer parabolischen Kurve. Diese Kurve hat einen Scheitelpunkt, den höchsten Punkt der Flugbahn.

An diesem Scheitelpunkt passiert etwas Fundamentales: Die Vertikalgeschwindigkeit des Darts ist null. Der Dart ist für einen winzigen Moment schwerelos. Er bewegt sich noch horizontal vorwärts, aber vertikal steht er still. Genau in diesem Moment ist die Höhenjustierung am einfachsten, weil sich die Höhe am langsamsten ändert.

Für kleine Spieler, die den Dart von unten nach oben werfen, liegt dieser Scheitelpunkt idealerweise genau am Board oder knapp davor. Das bedeutet: Der Dart trifft das Board im Moment seiner geringsten Vertikalgeschwindigkeit. Die Höhenjustierung ist perfekt kontrollierbar.

Für große Spieler, die von oben werfen, liegt der Scheitelpunkt weit vor dem Board. Wenn der Dart ankommt, hat er bereits signifikante Vertikalgeschwindigkeit nach unten. Die Höhe ändert sich schnell. Die Kontrolle ist schwieriger.

Die Körpergrößen Kategorien

Basierend auf biomechanischen Prinzipien und Diskussionen erfahrener Spieler lassen sich drei Kategorien definieren:

Kategorie 1: Kleine Spieler (bis 1,70 Meter)

Du wirfst den Berg hoch. Dein Ellbogen bei der Triple 20 liegt deutlich über der Schulter. Der Scheitelpunkt deiner Wurfparabel liegt nahe am Board. Das ist dein natürlicher Vorteil beim Scoren.

Deine Herausforderung: Die unteren Felder. Doppel 3, Doppel 6, die 19. Hier musst du deinen Ellbogen so weit senken, dass es unnatürlich wird. Phil Taylor empfiehlt kleineren Spielern schwerere Darts, vermutlich um mit weniger Wurfkraft die notwendige Distanz zu überbrücken.

Deine optimale Ellbogenhöhe bei Triple 20: Deutlich über der Schulter, möglicherweise auf Ohrhöhe oder höher.

Kategorie 2: Mittlere Spieler (1,70 bis 1,85 Meter)

Du hast die flexibelste Situation. Dein Ellbogen bei der Triple 20 liegt etwa auf Schulterhöhe. Du kannst sowohl nach oben als auch nach unten werfen, ohne extreme Anpassungen vornehmen zu müssen.

Deine Herausforderung: Finde deine Balance. Experimentiere, ob du eher wie ein kleiner oder wie ein großer Spieler werfen willst. Beide Stile sind für dich zugänglich.

Deine optimale Ellbogenhöhe bei Triple 20: Ungefähr auf Schulterhöhe, mit leichter Anpassung nach oben oder unten je nach Ziel.

Kategorie 3: Große Spieler (über 1,85 Meter)

Du wirfst von oben. Dein Ellbogen bei der Triple 20 liegt auf oder sogar unter Schulterhöhe. Bei einem Spieler mit 2,04 Meter Körpergröße zeigt der Ellbogen bei Doppel 20 sogar leicht nach unten. Deine Wurfbahn ist flacher, der Scheitelpunkt weit vor dem Board.

Deine Herausforderung: Die oberen Felder. Tops, Doppel 1, Doppel 5. Ein Spieler über zwei Meter beschreibt: Ich habe Probleme mit den Feldern über meiner Abwurfhöhe, da ich mit viel Kraft geradeaus oder nach unten werfe. Der Scheitelpunkt kommt ins Spiel, und das funktioniert nicht mit meinem Wurfstil.

Deine optimale Ellbogenhöhe bei Triple 20: Auf oder unter Schulterhöhe, je nach individueller Geometrie.

Die Ellbogen Regel

Hier kommt eine simple, aber wirkungsvolle Regel: Der ausgestreckte Arm beim Follow Through sollte direkt auf das Ziel zeigen. Da der Arm dann gerade ist, definiert das die Höhe des Ellenbogens während des Wurfs.

Diese Regel funktioniert für alle Körpergrößen. Sie bedeutet: Um die richtige Ellbogenhöhe zu finden, zeige geradeaus auf dein Ziel. Das ist deine Basisposition. Von dort klappst du den Unterarm zurück, wirfst und streckst wieder durch.

Wichtig: Der Höhenunterschied des Ellenbogens beim Zielen auf verschiedene Felder ist überraschend klein, nur wenige Zentimeter. Du variierst nicht massiv die Ellbogenhöhe, sondern minimal. Die Feinsteuerung erfolgt über den Anstellwinkel zwischen Unterarm, Oberarm und Hand.

Die zwei Strategien erfahrener Spieler

Eine faszinierende Studie der Universität Osaka untersuchte acht erfahrene Dartspieler und fand zwei völlig unterschiedliche motorische Strategien:

Strategie 1: Kompensation durch Bewegungsmuster

Diese Spieler haben größere Timing Fehler beim Abwurf, aber sie kompensieren das durch spezifische Bewegungsmuster ihrer Hand. Sie haben ein größeres Zeitfenster, in dem ein präziser Abwurf möglich ist. Die Höhenkontrolle erfolgt über die Bewegungskurve der Hand.

Strategie 2: Perfektioniertes Timing

Diese Spieler reduzieren ihre Timing Fehler drastisch. Sie werfen praktisch im exakt gleichen Moment ab, Wurf für Wurf. Die Höhenkontrolle erfolgt über präzises Timing.

Beide Strategien funktionieren. Deine Körpergröße beeinflusst, welche Strategie für dich natürlicher ist. Große Spieler tendieren zu Strategie 2, weil ihre flachere Wurfbahn weniger Timing Toleranz bietet. Kleine Spieler können mit Strategie 1 arbeiten, weil ihr Scheitelpunkt am Board mehr Fehlertoleranz bietet.

Deine Wurfhöhe finden: Eine systematische Methode

Schritt 1: Baseline etablieren

Stelle dich ans Oche. Zeige mit ausgestrecktem Arm auf die Triple 20. Merke dir die Höhe deines Ellenbogens. Das ist deine natürliche Baseline für dieses Feld.

Schritt 2: Den Wurfablauf verstehen

Dein Oberarm sollte idealerweise parallel zum Boden sein oder leicht darüber. Wenn du den Dart zur Augenhöhe führst, solltest du ihn vor dem dominanten Auge sehen können. Dann klappst du den Unterarm zurück, zielst und wirfst.

Schritt 3: Körpergröße berücksichtigen

Klein: Dein Ellbogen wird hoch sein müssen. Akzeptiere das. Trainiere mit dieser Höhe. Mittel: Du hast Wahlfreiheit. Experimentiere. Groß: Dein Ellbogen wird niedriger sein. Nutze die Kraft deines Wurfs für flachere Bahnen.

Schritt 4: Feldvariationen testen

Wirf auf verschiedene Felder: Triple 20, Triple 19, Triple 16, Doppel 20, Doppel 3. Beobachte, wie sich deine Ellbogenhöhe ändert. Sie sollte sich nur minimal ändern, wenige Zentimeter. Größere Änderungen bedeuten, du kompensierst falsch.

Schritt 5: Videoanalyse

Filme dich von der Seite. Analysiere in Zeitlupe: Wo ist dein Ellbogen beim Zielen? Bleibt er stabil während des Wurfs? Wandert er beim Follow Through nach oben (schlecht) oder bleibt er auf einer Linie?

Häufige Fehler nach Körpergröße

Fehler bei kleinen Spielern

Zu niedriger Ellbogen: Du versuchst, wie ein größerer Spieler zu werfen. Das zwingt dich zu extremen Bogenwürfen. Akzeptiere, dass dein Ellbogen hoch sein muss.

Zu viel Kraft: Du versuchst, mit Geschwindigkeit zu kompensieren. Das macht deinen Wurf unkontrollierbar. Nutze die Physik: Dein Scheitelpunkt am Board ist ein Vorteil.

Fehler bei großen Spielern

Zu hoher Ellbogen: Du versuchst, wie ein kleinerer Spieler zu werfen. Das funktioniert nicht mit deiner Körpergeometrie. Akzeptiere, dass du von oben wirfst.

Vermeidung oberer Felder: Viele große Spieler entwickeln eine Abneigung gegen Tops, weil es unnatürlich ist. Trainiere diese Felder extra, mit angepasster Technik.

Der Anstellwinkel: Die Feinsteuerung

Die Höhensteuerung erfolgt nicht primär über die Ellbogenhöhe, sondern über den Anstellwinkel. Das ist der Winkel, der zwischen Unterarm, Oberarm und Hand gebildet wird. Wirfst du eher nach oben oder nach unten?

Dieser Winkel ist subtil, aber entscheidend. Er wird mit der Zeit erarbeitet und gelernt. Gute Spieler machen das weniger durch unterschiedliche Armhöhe, sondern durch Variation dieses Winkels.

Die Rolle der Schulterstabilität

Harald Jansenbergers 5D Darts Screen Methode misst Schulterstabilität als einen der fünf Kernparameter. Je stabiler die Schulter, desto präziser der Wurf. Die Körpergröße beeinflusst, wie leicht oder schwer es ist, die Schulter stabil zu halten.

Große Spieler haben längere Hebelarme. Das bedeutet mehr Masse, die kontrolliert werden muss. Die Schulter muss härter arbeiten, um stabil zu bleiben. Training mit Dartalyzer oder ähnlichen Tools kann helfen, die Schulterstabilität zu messen und zu verbessern.

Fazit: Dein Weg ist individuell

Am Ende gibt es keine universelle Formel. Die Aussage, jeder sollte den Ellbogen auf Schulterhöhe halten, ist falsch. Ein 2,04 Meter Spieler hält den Ellbogen bei Doppel 20 wahrscheinlich sogar leicht nach unten. Ein 1,40 Meter Spieler hält ihn für Tops eher über der Schulter.

Deine Aufgabe: Finde deine Höhe durch Experimentieren, Videoanalyse und bewusstes Training. Nutze die Ellbogen Regel: Der ausgestreckte Arm zeigt auf das Ziel.

Von dort entwickelst du deinen individuellen Wurf.

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