Dart-Retrospektive 2.0: Fünf weitere Methoden für Team-Reflexion, die ins Schwarze treffen

Dart-Retrospektive 2.0: Fünf weitere Methoden für Team-Reflexion, die ins Schwarze treffen

Dart-Retrospektive 2.0: Wenn ein Format nicht genug ist

Du kennst bereits die klassische Dart-Retrospektive, bei der jedes Teammitglied wirft, teilt und reflektiert. Diese Methode hat sich bewährt und bringt frischen Wind in Sprint-Retrospektiven. Doch was, wenn du noch mehr Abwechslung willst? Was, wenn verschiedene Team-Situationen unterschiedliche Reflexionsansätze erfordern?

Die gute Nachricht: Das Dartboard bietet unzählige Möglichkeiten für kreative Retrospektiven. Jedes klassische Dart-Spiel lässt sich in ein Reflexionsformat übersetzen. In diesem Artikel stelle ich dir fünf weitere Dart-Retrospektiven vor, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen und verschiedene Team-Dynamiken ansprechen.

Methode 1: Die Bullseye-Fokus-Retrospektive

Wann nutzen: Wenn dein Team den Fokus verloren hat, zu viele Themen gleichzeitig bearbeitet oder Prioritäten unklar sind.

Das Prinzip: Beim Darts ist das Bullseye das Zentrum, das Ziel, auf das alles ausgerichtet ist. Diese Retrospektive nutzt genau diese Symbolik, um dem Team zu helfen, wieder ihre Mitte zu finden.

Vorbereitung (10 Minuten):

  • Zeichne konzentrische Kreise auf einem Flipchart (wie ein Dartboard von außen nach innen)
  • Äußerer Ring: "Ablenkungen & Nebensächliches"
  • Mittlerer Ring: "Wichtig, aber nicht dringend"
  • Innerer Ring: "Kritisch für Erfolg"
  • Bullseye: "Unser Hauptziel"

Durchführung (30-40 Minuten):

Phase 1 - Sammeln (10 Min): Jedes Teammitglied schreibt auf Karten, womit das Team sich gerade beschäftigt, alle Themen, Aufgaben, Probleme, Initiativen.

Phase 2 - Wurf & Platzierung (15 Min): Reihum wirft jede Person einen Dart. Je näher am Bullseye, desto wichtiger darf sie ein Thema platzieren. Wer das Bullseye trifft, darf das wichtigste Thema definieren. Wer außen trifft, muss ehrlich Ablenkungen benennen.

Phase 3 - Diskussion (10 Min): Schaut gemeinsam auf das Ergebnis. Was liegt im Bullseye? Sind wir uns einig? Was können wir eliminieren? Diese visuelle Darstellung zeigt sofort, wo der Fokus liegt, und wo er liegen sollte.

Phase 4 - Action (5 Min): Definiert 1-2 konkrete Maßnahmen, um mehr Zeit im "Bullseye" zu verbringen.

Warum es funktioniert: Die visuelle Metapher macht abstrakte Prioritätendiskussionen greifbar. Teams erkennen oft erst durch diese Darstellung, wie viel Energie in Nebensächliches fließt.

Methode 2: Cricket-Collaboration-Retrospektive

Wann nutzen: Wenn du die Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern reflektieren und stärken willst.

Das Prinzip: Cricket ist ein Dart-Spiel, bei dem bestimmte Zahlen (15-20 und Bullseye) "geschlossen" werden müssen, indem man sie dreimal trifft. Diese Retrospektive nutzt Cricket, um Kollaboration sichtbar zu machen.

Vorbereitung (5 Minuten):

  • Bereite ein Cricket-Board vor (Zahlen 15, 16, 17, 18, 19, 20 und Bull)
  • Weise jeder Zahl einen Kollaborationsaspekt zu:
    • 15 = Kommunikation
    • 16 = Gegenseitige Unterstützung
    • 17 = Wissenstransfer
    • 18 = Konfliktlösung
    • 19 = Gemeinsame Erfolge
    • 20 = Team-Spirit
    • Bull = Innovation & Kreativität

Durchführung (35-45 Minuten):

Phase 1 - Reflexion (10 Min): Jedes Teammitglied überlegt: In welchem Bereich lief die Zusammenarbeit gut (3 Treffer = geschlossen)? Wo gibt es Verbesserungspotenzial (0-2 Treffer = offen)?

Phase 2 - Teamwurf (20 Min): Anders als bei normalem Cricket werfen ALLE gemeinsam für EIN Team. Reihum wirft jede Person drei Darts und versucht, die Kollaborationsaspekte zu "schließen". Nach jedem Wurf teilt die Person ein konkretes Beispiel aus dem Sprint zu dem getroffenen Bereich.

Phase 3 - Analyse (10 Min): Welche Bereiche habt ihr "geschlossen" (genug positive Beispiele)? Welche bleiben "offen" (Verbesserungsbedarf)? Das Cricket-Board zeigt visuell die Stärken und Schwächen eurer Zusammenarbeit.

Phase 4 - Action (5 Min): Wählt einen offenen Bereich und definiert konkrete Verbesserungsmaßnahmen.

Warum es funktioniert: Das gemeinsame Ziel (alle Bereiche schließen) stärkt das Wir-Gefühl. Die Spielmechanik fördert positive Beispiele, während Lücken konstruktiv sichtbar werden.

Methode 3: Around-the-Clock-Retrospektive

Wann nutzen: Für längere Reflexionen über einen gesamten Projektzyklus oder Quarter-Review.

Das Prinzip: Around the Clock (einmal um die Uhr) ist ein Dart-Training, bei dem man alle Zahlen von 1-20 der Reihe nach treffen muss. Diese Retrospektive nutzt die 20 Zahlen als Timeline.

Vorbereitung (10 Minuten):

  • Teile den zu reflektierenden Zeitraum in 20 Abschnitte (z.B. bei 20 Wochen = 1 Woche pro Zahl)
  • Alternativ: Weise jeder Zahl einen Projektmeilenstein oder Sprint zu
  • Bereite das Dartboard und eine Timeline am Flipchart vor

Durchführung (45-60 Minuten):

Phase 1 - Chronologischer Durchgang (30 Min): Reihum versuchen Teammitglieder, die Zahlen 1-20 in der richtigen Reihenfolge zu treffen. Bei jedem erfolgreichen Treffer reflektiert die Person:

  • Was geschah in diesem Zeitabschnitt?
  • Was war das prägende Ereignis?
  • Was haben wir gelernt?

Bei einem Fehlwurf darf ein anderes Teammitglied die Reflexion für diesen Abschnitt übernehmen – so kommen verschiedene Perspektiven zum Vorschein.

Phase 2 - Muster erkennen (15 Min): Betrachtet die gesamte Timeline. Welche Muster seht ihr? Gab es Phasen mit ähnlichen Herausforderungen? Wiederkehrende Erfolge?

Phase 3 - Learnings & Ausblick (10 Min): Was nehmt ihr aus diesem Durchlauf mit? Welche Erkenntnisse wollt ihr für die nächsten 20 "Zahlen" nutzen?

Warum es funktioniert: Die chronologische Struktur verhindert, dass nur die letzten Wochen diskutiert werden. Teams erinnern sich an vergessene Ereignisse und erkennen langfristige Entwicklungen.

Methode 4: Killer-Challenge-Retrospektive

Wann nutzen: Bei Blocker-Identifikation oder wenn hartnäckige Probleme das Team ausbremsen.

Das Prinzip: Beim Killer-Dart versucht jeder Spieler, die anderen zu "eliminieren", indem er ihre zugewiesenen Zahlen trifft. Diese Retrospektive dreht das Konzept um: Das Team identifiziert "Killer" (Blocker/Probleme) und versucht gemeinsam, sie zu eliminieren.

Vorbereitung (10 Minuten):

  • Jedes Teammitglied erhält eine Zahl (z.B. bei 6 Personen: 15-20)
  • Bereite rote und grüne Karten vor
  • Dartboard bereitstellen

Durchführung (35-45 Minuten):

Phase 1 - Killer identifizieren (10 Min): Das Team sammelt gemeinsam die größten Blocker, Probleme oder Hindernisse des letzten Sprints. Jeder "Killer" wird einer Zahl zugeordnet und notiert.

Phase 2 - Jagd auf die Killer (20 Min): Reihum wirft jede Person drei Darts und versucht, die "Killer-Zahlen" zu treffen. Bei jedem Treffer:

  1. Beschreibt die Person kurz das Problem
  2. Das Team diskutiert: Wie können wir diesen Killer eliminieren?
  3. Bei drei Treffern auf einen Killer gilt er als "gelöst" – konkrete Maßnahmen werden festgehalten

Phase 3 - Überlebende Killer (10 Min): Welche Killer haben überlebt (weniger als 3 Treffer)? Sind das die wirklich hartnäckigen Probleme? Priorisiert und entscheidet: Welchen Killer nehmt ihr euch im nächsten Sprint vor?

Phase 4 - Action (5 Min): Definiert klare Ownership für die Killer-Elimination.

Warum es funktioniert: Die spielerische Jagd auf Probleme nimmt die Schwere aus schwierigen Diskussionen. Die visuelle Darstellung zeigt, welche Blocker wirklich präsent sind.

Methode 5: Highscore-Achievement-Retrospektive

Wann nutzen: Nach erfolgreichen Sprints zur Würdigung von Leistungen und zum Setzen neuer Ziele.

Das Prinzip: Klassisches Dart-Scoring (höchster Score gewinnt) wird genutzt, um Erfolge zu messen und neue Rekorde anzustreben.

Vorbereitung (10 Minuten):

  • Bereite Kategorien vor, in denen "Highscores" erreicht werden können:
    • Beste technische Lösung
    • Stärkste Teamleistung
    • Kreativster Ansatz
    • Größte Lernkurve
    • Beste Kundenfeedback
  • Flipchart für Highscore-Tabelle

Durchführung (30-40 Minuten):

Phase 1 - Erfolge nominieren (10 Min): Teammitglieder nominieren Erfolge für jede Kategorie. Was waren unsere "Highscores" in diesem Sprint?

Phase 2 - Score-Wurf (15 Min): Für jede Kategorie wirft ein Teammitglied drei Darts. Der erzielte Score wird in die Highscore-Tabelle eingetragen und mit der Leistung verknüpft. Hohe Scores = besonders wichtige Achievements.

Phase 3 - Rekorde brechen (10 Min): Schaut auf eure Highscore-Tabelle. In welcher Kategorie wollt ihr im nächsten Sprint einen neuen Rekord aufstellen? Was braucht es dafür?

Phase 4 - Celebration & Commitment (5 Min): Feiert die erreichten Highscores und committed euch zu den neuen Zielen.

Warum es funktioniert: Diese positive, achievement-orientierte Retrospektive stärkt das Selbstbewusstsein des Teams und setzt konstruktive Ziele. Perfekt nach schwierigen Phasen.

Die richtige Methode für die richtige Situation

Jede dieser Dart-Retrospektiven hat ihre Stärken und passt zu unterschiedlichen Team-Situationen:

Bullseye-Fokus: Nutze diese Methode, wenn dein Team verzettelt ist und Priorisierung braucht. Sie hilft, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen.

Cricket-Collaboration: Ideal nach Sprints, in denen die Zusammenarbeit holprig war oder wenn neue Teammitglieder integriert werden sollen.

Around-the-Clock: Perfekt für Quartals-Reviews oder Projekt-Retrospektiven, bei denen ein längerer Zeitraum reflektiert werden soll.

Killer-Challenge: Wenn hartnäckige Blocker das Team frustrieren und kreative Lösungsansätze gebraucht werden.

Highscore-Achievement: Nach erfolgreichen Sprints, um Momentum zu nutzen und positiv in die Zukunft zu blicken.

Kombination und Variation: Dein persönlicher Retro-Mix

Das Schöne an diesen Methoden: Du kannst sie kombinieren und variieren. Vielleicht startest du mit einer Highscore-Retro für die Erfolge, gefolgt von einer Killer-Challenge für die Probleme? Oder du nutzt die Bullseye-Fokus-Methode als Check-in und die Cricket-Collaboration als Hauptteil?

Praktische Variationen:

  • Zeitanpassung: Alle Methoden lassen sich auf 20-60 Minuten skalieren
  • Teamgröße: Bei großen Teams (10+) arbeitet in Kleingruppen mit mehreren Boards
  • Themen-Customizing: Passe die Zahlen/Bereiche an eure spezifischen Themen an

Erfolgsfaktoren für alle Dart-Retrospektiven

Unabhängig von der gewählten Methode gibt es Erfolgsfaktoren, die alle Dart-Retros gemeinsam haben:

Psychologische Sicherheit: Der spielerische Ansatz senkt Hemmschwellen, aber nur wenn das Team sich sicher fühlt. Etabliere klare Regeln: Was hier geteilt wird, bleibt im Team.

Moderation: Als Scrum Master oder Facilitator steuerst du den Prozess, nicht den Inhalt. Lass das Team die Erkenntnisse selbst gewinnen.

Nachbereitung: Die schönste Retro bringt nichts ohne Follow-up. Dokumentiere Actions, verteile Ownership und tracke Fortschritte.

Abwechslung: Nutze verschiedene Methoden, um Routine zu vermeiden. Das Team sollte sich auf die Retros freuen.

Anpassungsfähigkeit: Wenn eine Methode nicht funktioniert, brich ab und wechsle. Retrospektiven über Retrospektiven sind erlaubt!

Der Werkzeugkoffer des Agile Coaches

Mit diesen fünf neuen Methoden plus der klassischen Dart-Retrospektive hast du nun sechs verschiedene Ansätze in deinem Coaching-Werkzeugkoffer. Jede Methode adressiert unterschiedliche Aspekte der Teamarbeit:

  1. Klassische Dart-Retro: Allzweckwaffe für Standard-Retrospektiven
  2. Bullseye-Fokus: Priorisierung und Klarheit
  3. Cricket-Collaboration: Zusammenarbeit und Teamdynamik
  4. Around-the-Clock: Langfrist-Reflexion und Muster
  5. Killer-Challenge: Blocker-Elimination und Problemlösung
  6. Highscore-Achievement: Erfolge würdigen und Ziele setzen

Von der Theorie zur Praxis: Deine erste erweiterte Dart-Retro

Du bist bereit, eine dieser Methoden auszuprobieren? Hier ist dein Starter-Guide:

Schritt 1 - Situation analysieren: Was braucht dein Team gerade? Fokus? Problemlösung? Erfolgserlebnis? Wähle die passende Methode.

Schritt 2 - Vorbereiten: Teste selbst einmal das Dart-Spiel, auf dem die Methode basiert. Verstehe die Mechanik.

Schritt 3 - Ankündigen: Gib dem Team eine Woche vorher Bescheid. Erzeuge Neugierde: "Nächste Retro wird anders, bringt Wurfarm mit!"

Schritt 4 - Setup: Plane 10 Minuten mehr ein als angegeben, beim ersten Mal dauert die Erklärung länger.

Schritt 5 - Durchführen: Erkläre die Regeln klar, beantworte Fragen, dann: Start! Lass das Team die Methode erleben.

Schritt 6 - Meta-Retro: Am Ende 5 Minuten für Feedback zur Methode selbst. Was hat funktioniert? Was würdet ihr ändern?

Die Wissenschaft hinter dem Spiel

Warum funktionieren Dart-Retrospektiven so gut? Die Wissenschaft gibt Antworten:

Embodied Cognition: Der physische Akt des Werfens aktiviert andere Hirnregionen als reines Sitzen und Reden. Bewegung fördert kreatives Denken.

Gamification: Spielmechaniken motivieren und senken Stress. Das Belohnungssystem wird aktiviert, Dopamin fließt.

Metaphorische Kommunikation: Die Dart-Metaphern (Bullseye = Ziel, Killer = Blocker) machen abstrakte Konzepte konkret und diskutierbar.

Gemeinsame Erfahrung: Das gemeinsame Spielen schafft Verbundenheit und positive Emotionen – eine ideale Basis für offene Diskussionen.

Überraschungseffekt: Das Unerwartete weckt Aufmerksamkeit und sorgt dafür, dass Teams engagiert bleiben.

Häufige Fragen und Antworten

"Was, wenn niemand Dart spielen kann?" Perfekt! Es geht nicht um Können, sondern um Teilnahme. Gerade die Nicht-Könner bringen oft durch ihre "schlechten" Würfe interessante Perspektiven ein.

"Funktioniert das auch remote?" Ja! Nutze Online-Dart-Simulatoren oder Zufallszahlen-Generatoren. Die Methode bleibt dieselbe, nur das Medium ändert sich.

"Wie oft sollte ich Dart-Retros nutzen?" Abwechslung ist der Schlüssel. Vielleicht jede dritte oder vierte Retro? Oder immer dann, wenn die Energie nachlässt.

"Was, wenn das Team die Methode albern findet?" Manche Teams brauchen Zeit, sich auf Spielerisches einzulassen. Starte mit der klassischen Dart-Retro, erkläre den Mehrwert, und gib ihnen die Wahl.

Dein nächster Wurf: Call to Action

Die Theorie kennst du jetzt. Die Methoden liegen bereit wie Darts im Case. Jetzt fehlt nur noch eines: Der Mut, sie auszuprobieren. Deine nächste Retrospektive ist die Chance, etwas Neues zu wagen.

Vielleicht ist dein Team gerade in der Situation, wo die Bullseye-Fokus-Retrospektive genau das Richtige wäre? Oder die Killer-Challenge könnte endlich den hartnäckigen Blocker eliminieren, über den ihr seit Wochen diskutiert?

Teams, die Dart-Retrospektiven nutzen, berichten von lebendigeren Diskussionen, ehrlicheren Reflexionen und nachhaltigeren Verbesserungen. Sie berichten von Retros, auf die sie sich freuen statt sie als Pflichttermin zu empfinden.

Die beste Retrospektive ist die, die ihr tatsächlich durchführt. Also: Welche Methode probierst du als Nächstes aus?

Deine Community wartet: Hast du eine dieser Methoden ausprobiert? Oder sogar eine eigene Dart-Retro entwickelt? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren, lass uns gemeinsam die Dart-Retro-Community wachsen lassen!

Der nächste Wurf gehört dir. Triffst du?

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